BayernTurner 03 I 2021 | Page 11

CORONA SPEZIAL 11
Die Vereinsstrukturen in Deutschland sind weltweit nahezu einzigartig . Vereine haben eine große gesellschaftliche Aufgabe – nämlich die Bewegung und Gesunderhaltung der Menschen – und gerade deshalb muss man sehr behutsam mit den Vereins- und Verbandsstrukturen umgehen und alles tun , damit die Rahmenbedingungen für diese stimmen . Der Vereinssport existiert nur , weil es die Menschen dahinter gibt , die ihn betreiben und organisieren . Wenn die Gesellschaft diesen Bereich nicht mehr hätte , weil die Menschen sich von den Vereinen abwenden , würde das an vielen Stellen für negative Konsequenzen sorgen , die weit über den gesellschaftlichen Bereich des Turnens und des Sports hinausgehen . Wir stellen uns die Frage , wie groß die Kollateralschäden der monatelangen Schließung sind . Kann es überhaupt wieder so sein wie vor der Pandemie ? All das kann man leider nicht prognostizieren und wird die Zeit zeigen müssen . Wir haben Informationen , die uns sehr nachdenklich stimmen und aufrütteln müssen : Psychische und gesundheitliche Beeinträchtigungen in erheblichen Umfang zeichnen sich ab und nicht weniger schlimm steht die Änderung der Lebensart hin zu weniger Bewegung im Raum !
Was ich aber in Bezug auf Finanzen sehr erfreulich finde ist , dass dieses Jahr – wie auch bereits 2020 – die Vereinspauschale verdoppelt wurde , um den Vereinen unbürokratisch in der Pandemie zu helfen . Ein herzliches Dankeschön ergeht deshalb an dieser Stelle an unseren Bayerischen Sportminister Joachim Herrmann , der dies durch eine beachtliche Kraftanstrengung ermöglicht hat .
Die Auswirkungen vor allem für Kinder sind gravierend , Studien zeigen z . B ., dass sich über 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen seit Beginn der Pandemie psychisch belastet fühlen ( COPSY-Studie des Universitätsklinikums Eppendorf in Hamburg ). Außerdem herrscht ein deutlicher Bewegungsmangel . Wie kann die Wiederaufnahme des Vereinsbetriebs hier helfen ?
Diese Zahlen sind in der Tat sehr alarmierend . Auch durch das Home Schooling sitzen Kinder einen Großteil des Tages nur zu Hause und bewegen sich kaum . Deshalb wird es auch eine Herausforderung sein , den „ Schalter im Kopf “ der Kinder zunächst einmal wieder umzustellen und Bewegung wieder in den Alltag zu integrieren . Denn bekommen Kinder Bewegung , sind sie ausgelastet und können sich auspowern , verbessert sich automatisch ihre Stimmung und sie werden wieder ausgeglichener . Auch die gesundheitlichen Folgen , wie z . B . Schlafstörungen , psychosomatische Beschwerden o . Ä ., welche wenig Bewegung , im schlimmsten Fall in Kombination mit ungesunder Ernährung mit sich bringen kann , können durch die Wiederaufnahme des Sportbetriebs , wieder ausgeglichen werden .
Nicht zu unterschätzen , sind auch die sozialen Kontakte mit Freunden und anderen Personen außerhalb der Familie , die dann wieder stattfinden und sich ebenfalls positiv auf das Gemüt auswirken .
Oft hört man den Ausdruck „ verlorene Generation “, wenn es um die stark eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder während der Pandemie geht . Denken Sie , dass dies auch für den gesundheitlichen / sportlichen Aspekt gilt oder ist das Turnen mit seiner Vielfalt vielleicht sogar ein Sport , mit dem die Kinder schnell wieder aufholen können ?
Ob das Turnen tatsächlich einen Vorteil gegenüber anderen Sportarten hat , kann ich nicht beurteilen . Ich bin allerdings fest davon überzeugt , dass es den Kindern unwahrscheinlich guttun würde , wenn der Einstieg in den Sport schnell wieder ermöglicht wird . Das Turnen mit seinem Ansatz statt Spezialisierung auf eine Sportart , auf eine umfassende motorische Schulung zu setzten , früher sprach man von der „ Leibeserziehung “, hat hier sicherlich eine ganz besondere Bedeutung !
Der organisierte Sport ist insgesamt einem großen Risiko ausgesetzt , auch deshalb , weil wir gerade jetzt in der Pandemie feststellen , dass ihm gesellschaftspolitisch keine besondere Rolle zugewiesen wird . Allerdings müssen wir die Situation unbedingt auch als Chance begreifen und die Herausforderung angehen , z . B . mit Kindern und Jugendlichen direkt in Kontakt zu treten . Das muss in den Schulen , Kindergärten und Kitas passieren – überall vor Ort , wo die Kinder anzutreffen sind . Dort müssen wir sie mit unseren Angeboten überzeugen , die Kinder und Jugendlichen Neues ausprobieren lassen und so werden sie ganz automatisch in die Vereine kommen . Wenn wir allerdings passiv bleiben und nur darauf warten , dass sie von selbst in die Vereine kommen , wird nichts passieren . Vereine müssen also direkt mit Schulen und Kommunen in Kontakt treten und gemeinsam Konzepte erarbeiten , damit es zu keiner „ verloren Generation “ kommt .
Wen wir allerdings auch nicht aus den Augen verlieren dürfen , sind unsere Senioren . Können wir diese überhaupt wieder für den Vereinssport gewinnen ? Sind sie nach der langen Zeit der Pause noch in der Lage und willens , aktiv Sport zu betreiben ? Deshalb wird auch die Zusammenarbeit mit Seniorenheimen und das Schaffen eines Bewusstseins für die Bedeutung von Bewegung bei der älteren Generation enorm wichtig sein . Auch an Hausbesuche , Flugblätter bzw . Anschreiben oder an das Ansprechen von Senioren beim Einkaufen müssen wir denken ! Bei all dem wollen wir unsere Vereine und Abteilungen aktiv unterstützen !
Viele Vereine wurden während der Pandemie sehr kreativ mit Online-Angeboten . Dieser große Schritt in der Digitalisierung wäre ohne Corona wahrscheinlich nicht so schnell vollzogen worden . Denken Sie , dieser Trend wird sich auch in Zukunft weiter durchsetzen ?
Man muss sehr froh sein , dass es so viel Kreativität in den Vereinen und auch im Verband gab und in kürzester Zeit unwahrscheinlich viele Online-Angebote geschaffen wurden . Dadurch sind sehr viele Aktive mit ihrem Verein in Verbindung geblieben .
Schwierig ist es bei Kindern und Jugendlichen , da sie den ganzen Tag im digitalen Home Schooling sitzen und sich danach auch noch für Online-Sport begeistern