BayernTurner 03 I 2021 | Page 9

CORONA SPEZIAL 9 bräuchte es die Konferenzen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsident * innen nicht mehr .
Nochmals : Grundsätzlich sind die veröffentlichten Öffnungsschritte zu begrüßen , nur ist bei den aktuellen Fallzahlen zu konstatieren , dass es – faktisch und praktisch – zu nahezu keinen Öffnungen kommen wird . Hier sind nochmals gründliche Nacharbeitungen erforderlich , die eine Öffnung des Sportbetriebes auf der Grundlage von Hygienekonzepten und sportartenspezifischen Schutzkonzepten – auch unabhängig von Infektionszahlen – gewährleisten werden .
Wie kann der BTV und auch Sie speziell mit Ihrer sportlichen Kompetenz die Politik bei der weiteren Umsetzung dieser Forderungen unterstützen ? Welche Maßnahmen wurden bereits getroffen ?
Als Präsident des BTV und DTB positioniere ich die Belange der Vereine und Verbände auf ganz unterschiedlichen Ebenen . So gab es z . B . ein Gespräch mit Roger Lewentz , dem Vorsitzenden der Sportministerkonferenz 2021 / 2022 . Außerdem finden regelmäßige Gespräche mit Joachim Herrmann , dem Bayerischen Staatsminister des Innern , für Sport und Integration , statt ; in KW 11 gab es das jüngste Treffen u . a . zum Thema Wiedereröffnung des Sports . Daneben führe ich wiederkehrend Gespräche mit verschiedenen Fraktionen , um die Interessen der Vereine und Verbände möglichst nahe an die Politik zu bringen und dort die Belange und Nöte des Sports zu verorten . Um die Bedeutung und den Wert des organisierten Sports herauszustellen – gerade beim Erhalt der psychophysischen Gesundheit der Kinder bis hin zu den Senior * innen – ist politische Vermittlungsarbeit und die Sensibilisierung für diese Thematik essentiell , um insbesondere bei der politischen Spitze des Landes ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen .
Erste Lockerungen für den Sport wurden beschlossen – inzidenzabhängig sollte es auch stufenweise weitere Lockerungen geben . Aktuell ist dieser Stufenplan aber bereits wieder außer Kraft . Wie beurteilen Sie generell dieses Vorgehen ?
Die stufenweise Öffnung war ein kleiner Anfang , jedoch ist eine echte Perspektive das , was die Vereine und Verbände brauchen . Diese muss praxisbezogen sein . Denn de facto wird die Wiederaufnahme des Sportbetriebs – das zeigen die Erfahrungen nach dem ersten Lockdown in Bayern – zum Beispiel oft daran scheitern , dass die Landesregierung die Öffnung der Sportstätten zwar theoretisch erlaubt , diese aber dennoch auf kommunaler Ebene geschlossen bleiben . Hier wünsche ich mir klare Signale seitens der Politik in Richtung Kommunen und die hierfür erforderliche Sensibilität für die Wichtigkeit von existierenden Sportangeboten vor Ort !
Wie unterstützt der BTV seine Vereine bei der Wiedereröffnung nach dem Lockdown ?
Ein wichtiger Punkt wird sein , relativ schnell nach dem Wiedereinstieg unsere Verbandsangebote nicht nur digital , sondern auch wieder analog anzubieten , damit
Vereine z . B . wieder im Wettkampfbereich teilnehmen können . Das gilt auch für unsere Aus- und Fortbildungen , denn das gemeinsame Lernen vor Ort ist mit einem digitalen Angebot nicht zu vergleichen . Dennoch werden uns unsere Online-Lehrgänge auch in Zukunft begleiten – diese kommen bei den Teilnehmenden sehr gut an .
Außerdem müssen wir unsere Vereine darin unterstützen , die Bindung zu ihren Mitgliedern und Trainer * nnen / Übungsleiter * innen zu erhalten . Dafür braucht es im organisierten Sport eine große Kampagne , die in Deutschland das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Bewegung schafft . Gemeinsam mit den anderen Landesturnverbänden und dem Deutschen Turner-Bund , aber auch dem organisierten Sport insgesamt , wollen wir für den Vereinssport und seine enorme Bedeutung für die Gesundheit der Menschen werben .
Weiterhin müssen wir einen „ Bewegungspakt “ schließen , zu dem sich Vereine , Verbände , Kommunen , Landkreise , Bezirke , Länder , Schulen , Kitas , Kindergärten , aber z . B . auch Seniorenheime verpflichten . Ziel muss es sein , die Menschen wieder zu Bewegung zu animieren , in die Vereine zu gehen und aktiv am Vereinsleben teilzunehmen . Dieser Pakt muss es sich außerdem zur Aufgabe machen , dass öffentliche Räume in den Kommunen für die Vereine geöffnet werden , damit diese in direkten Kontakt mit den Menschen vor Ort treten können . Leider ist damit zu rechnen , dass gerade die Bindung zu Kindern und Jugendlichen verloren gegangen ist oder gar nicht erst entstehen konnte , weshalb vor allem auch die Mitarbeit von Schulen , Kitas und Co . essentiell ist .
Im Rahmen der DTB-Denkfabrik wurden bereits viele Maßnahmen und Konzepte erarbeitet , wie die zukünftigen Herausforderungen des Vereinssports angegangen werden müssen . So sollten z . B . Vereine bei kommunalen Bauleitplanungen berücksichtigt werden . Diese können dann ihr sportpraktisches Know-how einbringen , wenn es beispielsweise um die Gestaltung eines neuen („ Aktiv “ - ) Parks geht .
Die Vereine müssen öffentlich sicht- und hörbar werden . Um dies möglich zu machen , sind wir als Verband gefragt .
Es besteht bereits die Diskussion , geimpften Personen mehr Freiheiten einzuräumen . So wären beispielsweise Vereinskurse wieder möglich – aber nur für Geimpfte . Wie stehen Sie zu dieser Überlegung ? Wäre das eine Möglichkeit für Vereine , wenigstens wieder schrittweise den Betrieb aufzunehmen ?
In Anbetracht der bereits angesprochenen Tatsache , dass das Verbot des organisierten Sporttreibens einen Eingriff in das Grundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit darstellt , braucht es immer einen triftigen Rechtfertigungsgrund , um das Sporttreiben zu verbieten . Im vorliegenden Fall wäre das das Ausmerzen des Risikos , beim Sport sich selbst und andere mit dem Corona-Virus zu infizieren . Wenn durch eine Impfung beide Gefahren nicht mehr bestehen , entfällt auch der Grund , jemandem das Sporttreiben zu verbieten . Rein juristisch betrachtet wäre es also sehr schwierig , dieses Verbot aufrecht zu